Welcome on board!
Autor: Julia Jäkle
Veröffentlicht am: 14.07.2025 Lesedauer: 5 Minuten
Inhaltsverzeichnis.
1
Ist doch logisch!
2
Fangen wir von vorn an
3
Ein Szenario
4
Was ist passiert?
5
Wie können wir es besser machen?
🥡 Take-Away Botschaft.
Wenn Kultur und Prozesse nicht zusammenpassen, hilft auch die beste Expertise nichts.
Dieser Beitrag beleuchtet, wie die bisherigen Unternehmenskulturen neuer Mitarbeitenden das aktuelle Qualitätsmanagement beeinflussen und was das für Firmen bedeutet.
Ist doch logisch!
Managementsysteme einschliesslich Qualitätsmanagement-systemen müssen so aufgestellt sein, dass sie zur Organisationskultur passen. Eine gute Kultur ist allen wichtig, stärkt die Mitarbeiterbindung und unterstützt das Employer Branding.
Dafür braucht’s doch keinen extra Beitrag. Das ist doch klar!
Stimmt. Aber wieso driften Managementsysteme und die Organisationskultur dann so oft auseinander? Wieso werden die vorgegebenen Prozesse oft als störend empfunden? Wieso haben wir manchmal das Gefühl, die Prozesse bremsen uns aus? Und wieso müssen neue Vorgesetzte erstmal alles infrage stellen, was doch jahrelang super lief?
Eine mögliche Antwort: Weil neue Mitarbeitende in einer Firma immer auch ein Stück Kultur ihrer alten Firma mitbringen und die Kultur der neuen Organisation noch nicht ganz verstehen.
Fangen wir von vorn an
Aber fangen wir von vorn an. Wichtig zu verstehen ist die Definition:
«Kultur ist ein gemeinsames Produkt gemeinsamen Lernens»
Edgar H. Schein & Amy Edmondson

Das bedeutet, Kultur entwickelt sich in einer Gruppe als Antwort auf etwas Neues. Das heisst, ein Team, das zusammenarbeitet, sieht sich immer wieder mit Problemen oder Störgrössen konfrontiert, für die es Lösungen finden muss, damit umzugehen. Manche Lösungen scheitern, manche Lösungen sind erfolgreich. Die erfolgreichen Lösungen, werden, wenn es wieder zu ähnlichen Situationen kommt, nachgeahmt. Sind diese dann wieder erfolgreich, beginnt das Team diese als «die» Lösung zu akzeptieren. Sie haben «gelernt», wie man mit solchen Situationen umgeht und ihre eigene Kultur entwickelt.
Dieser gemeinsame Lernweg schweisst zusammen und führt dazu, dass eine Gruppe ihre eigenen Werte entwickelt. Häufig passiert dies unbewusst. Man denkt gar nicht darüber nach, dass andere ausserhalb dieser Gruppe andere Vorstellungen oder Werte haben könnten.
Wechselt nun ein Mitarbeiter seine Stelle und geht zu einer neuen Firma, nimmt er sein «Lernpaket» mit und kommt, wahrscheinlich ohne es zu wissen, in ein Team mit einem eigenen, anderen «Lernpaket».
Ein Szenario
Stellen wir uns nun folgendes Szenario vor: Eine Inhaberin eines KMU, das bisher als Zulieferer für Medizinproduktehersteller tätig war, macht eine Marktanalyse und stellt fest, dass sie alles hätten, um selbst ein Medizinprodukt auf den Markt zu bringen. Alles, bis auf eine Entwicklungsabteilung. Aber kein Problem, ein kompetenter Entwickler, nennen wir ihn Stefan, mit hervorragenden Referenzen und langjähriger Erfahrung bei einem Inverkehrbringer ist schnell gefunden. Und er ist sogar noch allen sympathisch. Da kann ja nichts mehr schiefgehen. 2 Jahre später stampft die Inhaberin das Projekt wieder ein.
War wohl doch eine Hausnummer zu gross.
Was ist passiert?
Stefan hat in seiner alten Firma etliche Produkte erfolgreich bis zur Marktreife gebracht. Den Prozess dazu hat er mit jedem neuen Projekt immer weiter optimiert. Der bekannte Ablauf hat ihm Sicherheit gegeben, er ist schon durch unzählige Audits ohne Abweichungen durchgekommen und ihm war klar, das Vorgehen ist mittlerweile so perfektioniert, damit kanns nur gut gehen. Logischerweise hat er den Prozess in die neue Firma 1:1 übernommen. Dort bestand ja noch nichts, er konnte also auf der grünen Wiese anfangen. Wieso also das Rad neu erfinden, wenn er die ideale Lösung schon in der Tasche hat. In seiner alten Firma waren Werte wie Zusammenarbeit und Verbindlichkeit zentral. Entsprechend beinhaltete der Prozesse viele kleine Meetings zur gegenseitigen Abstimmung, dafür nur wenige Phase Reviews in langen, aber klar definierten Abständen, bei denen überprüft wurde, ob alle bis dahin nötigen Dokumente und Freigaben vorhanden sind. Und ob das Projekt auf Kurs ist, so dass das Produkt den Anforderungen der Kunden entspricht. Aufgrund der kleineren Meetings war sich Stefan sicher, dass die Phase Reviews nur formeller Natur sind und, wie in seiner Vergangenheit auch, es keine Schlaufen zur Nacharbeit braucht. Er war entsprechend zuversichtlich, dass die gesetzte Timeline eingehalten werden kann. Und war ganz entspannt, obwohl die Inhaberin häufig nachfragte, ob denn alles läuft und meinte, ihre Verkaufsabteilung würde auf das Produkt warten.
Das Problem war, dass die neue Firma sehr wettbewerbsorientiert war, und schnell ihren Kunden ein marktfähiges Produkt präsentieren wollte. Die Verkäufer wurden immer nervöser, weil sie nichts in der Hand hatten, was sie den Kunden zeigen konnten. Dafür hatten sie ständig irgendwelche Meetingeinladungen. Dafür haben sie doch aber keine Zeit. Sie müssen zum Kunden! Was will der Stefan denn die ganze Zeit besprechen? Das macht doch keinen Sinn, dass wir uns nur mit uns selber beschäftigen, wir müssen die Bedürfnisse des Kunden abholen!
Kurzerhand haben die Verkäufer die letzten Entwürfe, die sie gesehen haben, schon mal den Hauptkunden gezeigt. Diese hatten natürlich Verbesserungswünsche, die unbedingt eingearbeitet werden mussten.
Aufgrund der vielen Änderungen waren die Termine für die lange im Voraus festgesetzten Phase Reviews nicht einzuhalten und mussten ständig verschoben werden. Das führte dazu, dass diese Termine nicht mehr als verbindlich angesehen wurden und wenn sie dann doch mal stattgefunden haben, die To-dos nicht gemacht waren.
Das wiederum führte zu Streitigkeiten zwischen dem Verkauf und der Entwicklung. Keiner verstand, wie man so unfähig sein kann, einfach nicht das Richtige zu machen.
Nach zwei Jahren zog die Inhaberin die Notbremse. Das Projekt war mittlerweile viel zu teuer geworden.
Wie können wir es besser machen?
Dieses Beispiel zeigt, was passieren kann, wenn wir uns unserer Organisationskultur nicht bewusst sind und in bester Absicht es falsch machen. Was können wir also tun?
Die Einarbeitung von neuen Mitarbeitenden darf nicht nur auf den fachlichen Teil beschränkt sein. Es sollte auch genügend Raum für die Einführung in die Organisationskultur geben. Wenn Stefan gewusst hätte, dass Flexibilität gegenüber dem Kunden als wichtiger angesehen wird, als interne Verbindlichkeit hätte er die Chance gehabt, den Verkauf zu verstehen und zu reagieren.
Ausserdem sollten wir Führungskräfte darauf sensibilisieren, dass Mitarbeitende Prozesse und die Kultur aus ihrer vorherigen Firma mitnehmen und dass dies zu Unstimmigkeiten führen kann, damit diese bei Bedarf unterstützen oder im schlimmsten Fall eingreifen können. Die Inhaberin hätte schon sehr früh alle an einen Tisch holen können und die unterschiedlichen Anforderungen abgleichen können.
Neue Mitarbeitende sollten wir darin unterstützen, ihre bisherigen Erfahrungen behutsam einzubringen, um gemeinsam mit dem Team Potenziale beider Organisationskulturen zu nutzen. Von ihnen eingebrachte Vorschläge für Veränderungen sollten von den Betroffenen, wie der Verkaufsabteilung, geprüft und gemeinsam an die bestehende Kultur angepasst werden können, bevor sie übernommen werden. Manchmal reichen schon kleine Anpassungen oder das Wissen über das "Warum" etwas geändert werden soll.
Mindestens genauso wichtig wie die Einarbeitung ist die Rekrutierung davor. Wenn neue Leute eingestellt werden, sollte es eine bewusste Entscheidung sein, ob wir passend zu Organisationskultur einstellen oder bewusst von aussen neue Impulse in die bestehende Struktur geben mögen. Diese Entscheidung sollte an alle Betroffenen klar kommuniziert sein. Die Firma in unserem Beispiel hat noch nie ein Medizinprodukt eigenständig entwickelt. Vielleicht hätte die interne Verbindlichkeit, die Stefan als Wert mitgebracht hat, der ganzen Organisation gutgetan?
Werden wir uns bewusst, dass die Übereinstimmung des Managementsystems mit der Kultur nicht einfach nur eine leere Weisheit ist, sondern wir aktiv etwas dafür tun können!
Welcome on board, Kultur!