Wer Visionen hat sollte zum Arzt gehen?
Autor: Julia Jäkle
Veröffentlicht am: 22.10.2024 Lesedauer: 4 Minuten
Inhaltsverzeichnis.
1
Sind Visionen unnötig?
2
Eine gute Vision
3
Warum doch Visionen
4
Voll dabei oder nur Mitläufer?
5
Visionen und Normen
6
Die eigene Vision
🥡 Take-Away Botschaft.
Viele Unternehmensvisionen sind austauschbar und unnötig, doch starke Visionen motivieren, inspirieren und schaffen ein Gemeinschaftsgefühl. Richtig formulierte Visionen geben klar vor, worauf die Organisation hinarbeitet. Sie können den langfristigen Erfolg sichern und werden von den Mitarbeitenden getragen.
Sind Visionen unnötig?
"Mission, Vision, Leitbild" – Begriffe, die zum grundlegenden Vokabular eines jeden Managers zählen. In vielen Unternehmen schmücken entsprechend hübsch designte Plakate die Wände, um klar zu zeigen, wofür die Firma steht. Aber mal ehrlich: Was genau stand da nochmal drauf? Können Sie die Vision Ihrer Organisation auswendig zitieren? Ich vermute, viele würden antworten: „Äh, so in etwa. Da ging es doch um Marktführerschaft oder sowas in der Richtung.“
Ist die Vision also ein Relikt und Trend aus den 80er-Jahren? Das Konzept eigentlich schon längst überholt? Könnten wir uns nicht den Aufwand sparen und einfach unseren Job ohne diesen Visionskram machen?
In der Tat sind viele formulierte Unternehmensvisionen unnötig. Zumal sie häufig austauschbar und daher beliebig sind. Wer könnte z.B. nicht hinter der Vision stehen «Wir wollen der führende Anbieter in unserer Branche sein und die Erwartungen unserer Kunden stets übertreffen.» Zugegeben für den Mitarbeitenden, der gerade die Firma wechselt, ziemlich praktisch. Es braucht gar keine Umgewöhnung.
EU Flaggen vor dem Parlament
Eine gute Vision
Anders sieht es beispielsweise bei der Vision von Google aus:
„to provide access to the world’s information in one click.“
Diese Vision gibt das Bild einer neuen Zukunft vor und besonders wichtig, es gibt eine konkrete Antwort auf die Frage woraufhin gearbeitet werden soll. Google beschäftigt sich nicht damit, diese Information zu generieren oder zu interpretieren. Alle Anstrengungen sollen darauf fokussiert werden, Zugang zu der Information zu bieten und das so einfach wie möglich: «Mit einem Klick».
Warum doch Visionen
Peter Senge gilt als einer der einflussreichsten Management–Vordenker. Er beschreibt in seinem Buch «Die fünfte Disziplin» was die Vorteile einer starken Vision sind.
Wollen alle das gleiche Zukunftsszenario Wirklichkeit werden lassen, erzeugt das ein starkes Gemeinschaftsgefühl. Die Mitarbeitenden fühlen sich als Teil von etwas Grösserem. Der Controller, die Entwicklerin, der Qualitätsmanager, ... sie alle sind verbunden durch den gemeinsamen Fixstern. Jeder bringt seinen Beitrag, auch wenn sich die täglichen Aufgaben immens voneinander unterscheiden. Und am Ende ist egal, wer was gemacht hat. Wichtig ist, dass das Ziel erreicht wird.
Visionen wirken zudem motivierend. Wenn mich eine Vision begeistert, der Funke überspringt und ich wirklich daran glaube, dass sie Realität werden kann, werde ich alles geben, um dazu beizutragen. Ich entwickle den Mut etwas zu wagen, wenn es erforderlich ist. Dann arbeite ich nicht nur für das Unternehmen ich arbeite dafür, die Vision Wirklichkeit werden zu lassen. Mein Antrieb ist die Aussicht auf die gute Zukunft, nicht einfach das Abarbeiten meiner Aufgaben oder das Gehalt am Monatsende.
Um ambitionierte Ziele zu erreichen kann es unter Umständen notwendig sein, meine Denkweisen zu hinterfragen. Wenn ich die Erfüllung der Vision aus meinem tiefsten Inneren heraus möchte, werde ich auch bereit dazu sein, neue Wege zu gehen. Wie viele haben die Schule mit einem mehr schlecht als rechtem Englisch verlassen. Als sie aber durch einen Auslandsaufenthalt oder den Beruf gezwungen waren sich auf Englisch zu unterhalten, ging es auf einmal. Die innere Motivation hat das Lernen ermöglicht.
Und das schönste, diese Motivation hält länger als einen Tag an. Durch die langfristige Perspektive, die eine starke Vision hat, muss man sich nicht jeden Tag aufs Neue überlegen, weshalb man aufsteht.

Voll dabei oder nur Mitläufer?
Damit wird aber auch eine Schwierigkeit deutlich. Um das alles leisten zu können, muss eine starke Vision von innen heraus vom Einzelnen erreicht werden wollen. Sie kann somit nicht von oben aufdiktiert werden. Es reicht auch nicht die Wände damit zu tapezieren, bis es jeder auswendig kann. Eine starke Vision darf nicht nur bekannt sein, sie muss auch getragen werden.
Nun kann man sich vorstellen, dass nicht bei jedem Mitarbeitenden die Funken das Feuer gleichermassen entfachen können. Daher hat Senge verschiedene Stufen definiert, wie die Haltung zu einer Vision sein kann.
Engagement:
Will die Vision erreichen, setzt sie um und schafft dafür alle notwendigen Regeln und Strukturen.
Teilnehmerschaft:
Will die Vision erreichen. Wird alles tun, was im Rahmen der Regeln möglich ist.
Echte Einwilligung: .
Erkennt die Vorteile der Vision. Hält sich strikt an die Regeln – „Pflichtbewusste Mitstreiter“.
Formelle Einwilligung:
Erkennt die allgemeinen Vorteile der Vision. Erfüllt die Erwartungen, aber nicht mehr – „Zuverlässige Mitstreiter“.
Widerstrebende Einwilligung:
Erkennt die Vorteile der Vision nicht, will aber den Job behalten. Erfüllt nur das Nötigste, weil es sein muss, macht aber klar, dass er oder sie nicht wirklich dahintersteht.
Nichteinwilligung:
Erkennt die Vorteile der Vision nicht und erfüllt die Erwartungen nicht. "Ich lasse mich doch nicht zwingen".
Apathie:
Weder für noch gegen die Vision. Kein Engagement, keine Motivation – „Wann ist endlich Feierabend?“
Wichtig ist, man kann niemanden überzeugen und schon gar nicht zwingen eine Haltung einzunehmen. Jeder oder jede kann nur für sich entscheiden, wie er oder sie zu der Vision steht. Oftmals ist es der Person selbst gar nicht klar, ob sie sich für die Vision engagiert oder ob sie sich engagiert, damit sie z.B. Teil des Teams ist und somit «nur» echte Einwilligung zeigt. Je stärker aber die Vision, desto höher ist die Chance, dass die Haltung in Richtung Engagement gehen kann.
Eine gute Vision ist ehrlich. Was wollen wir wirklich. Google hat eben nicht zum Ziel den Physiknobelpreis zu gewinnen. Google möchte, dass jeder nachlesen kann, was der Nobelpreisträger herausgefunden hat. In der Organisation soll man spüren, dass man es ehrlich mit der Vision meint und diese auch mit erster Priorität erreichen möchte. Eine Vision «Massstäbe in der Arzneimittelentwicklung zu setzen», wenn jeder Mitarbeitende weiss, dass die eigentliche Vision ist, die Aktionäre reich zu machen führt wohl eher zur Apathie.
Visionen und Normen
Die Wichtigkeit einer Vision wurde auch von den Verfassern der ISO-Normen erkannt.
Gemäss ISO 9000 ist eine Vision ein durch die oberste Leitung erklärter Anspruch zur angestrebten Entwicklung einer Organisation.
Etwas umständlich ausgedrückt bedeutet dies, dass die Führungsebene formulieren soll, wie die Organisation in Zukunft aussehen soll. Diese Definition entspricht einerseits dem oben beschriebenen Zukunftsbild, andererseits stolpert man ein wenig über die Führungsaussage. Also doch von oben diktieren?
Ich denke nicht, dass diese Auferlegung von oben im Sinne der Autoren war. Meines Erachtens möchte die Norm damit nur die Legitimation der Vision durch die oberste Leitung sicherstellen. Schliesslich ist sie es, die Verantwortung übernimmt. Wenn der Kapitän in die eine Richtung steuern will und die Mannschaft woanders hinmöchte, endet das in der Regel nicht gut. Zudem ist im klassischen Kontext die zentrale Aufgabe der obersten Leitung die Definition der Strategie. Und diese sollte nun ja Hand in Hand mit der Vision gehen.
ISO 9000:2015
Vision: durch die Oberste Leitung erklärter Anspruch zur angestrebten Entwicklung einer Organisation
Politik: Absichten und AUsrichtung einer Organisation, wie von der Obersten Leitung formell ausgedrückt
Qualitätspolitik: Politik bezüglich Qualität
Eine Politik wird von der Norm beschrieben als die Absichten und Ausrichtung einer Organisation, wie von der obersten Leitung formell ausgedrückt.
Eine Qualitätspolitik beschreibt dementsprechend die Strategie zum Thema Qualität.
Da Qualität kein Selbstzweck ist, geht es hier also darum, wie diese zur Erreichung der übergeordneten Ziele beiträgt. Die ISO 9000 gibt auch vor, dass die Qualitätspolitik entsprechend der Vision der Organisation angepasst werden kann. Meiner Meinung nach sollte dieses «kann» sogar durch ein «muss» ersetzt werden.
Die ISO 9001:2015 und die ISO 13485:2016 werden etwas deutlicher, da sie fordern, dass die Qualitätspolitik auf den Zweck der Organisation anwendbar ist. Was ist der Zweck einer Organisation, wenn nicht, ihre Vision zu verwirklichen? Ausserdem fordern beide Normen, dass die Qualitätspolitik einen Rahmen zum Festlegen und Bewerten von Qualitätszielen bietet.
In anderen Worten sollen demnach Ziele gesteckt werden, die Zwischenetappen auf dem Weg zum Erreichen der Vision sind. Bei der Definition von unseren Zielen müssen wir überlegen, was ist der nächste Schritt, den wir gehen müssen, um unserem Zukunftsbild ein Stückchen näher zu kommen.
Da wird schnell klar, dass so manches Qualitätsziel, kein Zwischenziel, sondern einfach nur ein KPI ist. Ist ein First pass yield (FPY) von 98% wirklich relevant, um Patienten ein glückliches Leben zu ermöglichen? Eventuell ja, da uns das FPY die wirtschaftliche Stabilität gibt, um gute Produkte zu entwickeln. Das bedeutet aber auch, dass wir das in unserer Strategie, sprich in unserer Qualitätspolitik festhalten sollten. In den wenigsten Politiken findet man aber etwas zur Wirtschaftlichkeit.
Gut gemacht tragen Visionen eine entscheidende und positive Rolle in einer Organisation. Normen enthalten daher die Notwendigkeit von Visionen bzw. Qualitätspolitiken, weil sie deren Bedeutung anerkennen und die positive Kraft, die sie entfalten können. Visionen oder Politiken erscheinen nur dann als überflüssig, wenn sie schlecht gemacht oder ineffektiv umgesetzt werden. Richtig entwickelte Visionen sind eine starke Triebfeder für den Erfolg einer Organisation.
Die eigene Vision
Hoffen wir, dass das Zitat «Wer Visionen hat sollte zum Arzt gehen» der deutsche ehemalige Bundeskanzler Helmut Schmidt, wie viele behaupten, doch nicht gesagt hat.
Und was ist die Vision von mindsys?
Dass diese komplexe Welt ein Stückchen einfacher wird. Durch einfache Prozesse und auf Organisationen und deren Menschen zugeschnittene Methoden, sollen gelebte und dadurch wirksame Managementsysteme ermöglicht werden.
Ganz einfach – Managementsysteme mit Verstand!
Und Ihre Vision?
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Julia Jäkle
Inhaberin mindsys
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