Mehr Autonomie, bitte!
Autor: Julia Jäkle
Veröffentlicht am: 23.04.2025 Lesedauer: 3 Minuten
Inhaltsverzeichnis.
1
Was ich am meisten hasse
2
Autonomie
3
Modernes Arbeiten
4
Gestalten lassen
5
Kompetenz ist der Schlüssel
🥡 Take-Away Botschaft.
In stark regulierten Branchen wie der Medizintechnik droht Autonomie im Alltag oft unterzugehen – zu eng sind die Prozesse, zu zentral die Vorgaben. Aber Autonomie ist kein Luxus, sondern ein Schlüsselfaktor für Motivation und Zufriedenheit. Wer Mitarbeitende einbindet statt bevormundet, gewinnt nicht nur effizientere Prozesse, sondern auch engagierte, loyale Teams.
Was ich am meisten hasse
Was ich am meisten hasse? Wenn ich fremdbestimmt werde. Da können schon Kleinigkeiten, die eigentlich komplett unwichtig sind, meinen Herzschlag beschleunigen. Solche Kleinigkeiten können z.B. eine vorher nicht abgesprochene Meetingeinladung auf 13:30 sein, wenn man eigentlich eine verlängerte Mittagspause machen wollte oder ein Formular, das ich neu ausfüllen muss und dessen Sinn ich nicht verstehe.
An guten Tagen atmet man das einfach weg. Das Gegenüber wusste ja nichts von den Mittagsplänen. An schlechten Tagen aber steigt der Puls und sinkt die Laune.
Und so wie mir geht es anscheinend vielen. Mehrere Studien (z.B. Humphrey, Nahrgang und Morgeson (2007)) belegen, dass Autonomie - also das Gegenteil von Fremdbestimmung – zu den Top Voraussetzungen für Arbeitszufriedenheit zählt.
Autonomie
Autonomie bedeutet, ich kann über mich und meine Arbeit selbst bestimmen. Ich habe nicht nur einen Handlungsspielraum, sondern auch einen Entscheidungsspielraum. Das wiederum bedeutet, ich fühle mich und meine Kompetenzen wahr- und ernstgenommen. Ich fühle mich wertgeschätzt.
Modernes Arbeiten
In der heutigen Arbeitswelt gibt es gefühlt zwei starke Tendenzen, deren Scheren aus meiner Sicht immer weiter auseinanderdriften. Zum einen wird durch agile Arbeitsformen die Autonomie der Mitarbeitenden stark gefördert und in den Mittelpunkt gestellt. Es gibt einen regelrechten Hype um Firmen wie FREITAG, die neue Arbeitsformen leben.
Zum anderen werden stark regulierte Branchen, wie die Medizintechnikbranche, immer noch mehr reguliert, so dass hochdetaillierte Prozesse vorgeben, wie die kleinsten Arbeitsschritte durchgeführt werden müssen. Um diese detaillierten Vorgaben auch gesetzes- und normkonform zu erstellen, wird häufig diese Erstellung dann sogar noch zentralisiert und an z.B. die Qualitätsabteilung abgegeben. Leider passiert so häufig, dass die Autonomie der einzelnen Mitarbeitenden reduziert wird. Ein Gefühl der Fremdbestimmung macht sich breit. Und am Ende wundert man sich, weshalb die Mitarbeitenden immer unzufriedener werden und die Branche wechseln.
Gestalten lassen
Abgesehen davon, dass viele Prozesse übersteuert sind – wieso lassen wir die Prozesse nicht von denen schreiben, die sie auch umsetzen? Wieso lassen wir nicht einen gewissen Spielraum, so dass alle in einer Abteilung «ihren» Weg finden, die Aufgabe auszuüben? Weshalb haben wir kein Vertrauen in die Mitarbeitenden, dass sie ihre Arbeit korrekt ausüben? Wieso zweifeln wir an deren Kompetenz, das richtige zu tun?
Vielen tue ich damit bestimmt unrecht und es ist in vielen Firmen sicherlich gang und gebe, dass jedes Team seine eigenen Prozesse gestaltet. Ich sehe aber leider immer noch oft, dass genau das andere passiert. Man stellt hochqualifizierte Leute an, die dann stupide Formulare ausfüllen müssen, die von einer anderen Abteilung, z.B. der Qualitätsabteilung, in bester Absicht, erstellt wurden. Auf den ersten Blick erscheint diese Arbeitsteilung effizient. Schliesslich muss jemand aus dem Vertrieb oder der Produktion nicht zwangsläufig ein Experte im Interpretieren von Gesetzen und Normen sein. Es reicht, wenn die Fachabteilung die übersetzten Anforderungen in Form von Prozessbeschrieben und Formularen bekommt. Dadurch wird aber die Chance genommen, die Prozesse effizient zu gestalten – und man erhöht das Gefühl der Fremdbestimmung
Kompetenz ist der Schlüssel
Wenn nun die Qualitätsabteilung anstatt der Anfertigung der Prozesse ihre Zeit investieren würde, um die Fachabteilung in den Anforderungen zu schulen? Zwar entstünden anfänglich möglicherweise einige ineffiziente Stunden. Langfristig jedoch lassen sich Prozessverbesserungen direkter und wirksamer umsetzen. Der Handlungsspielraum innerhalb der Prozesse kann erweitert werden, da Anforderungen besser verstanden und deren Konsequenzen realistisch eingeschätzt werden können. Mitarbeitende fühlen sich dadurch stärker wertgeschätzt, erleben mehr Vertrauen und erhalten mehr Autonomie. Dies wirkt sich positiv auf die Arbeitszufriedenheit aus und trägt zur langfristigen Bindung an das Unternehmen bei. Auf die Dauer also immense Kosteneinsparungen.
Auch in der Medizintechnik ist dieser Weg möglich – ich glaub an euch!